Odontaspis gustrowensis Winckler

2. Odontaspis Gustrowensis Winckler.

Tab. II., Fig. 1, 2.

Wenn das Vorkommen der beiden Odontaspis-Arten gracilis Agass. und subulata Agass. nicht ausschliesslich auf das Neocomien von Neuschatel, die Kreidelager von Quedlinburg, den Grünsand von Regensburg und von Bognor in England beschränkt wäre, so könnte man bei einem Blick auf die hier beigefügten Abbildungen glauben, eine der genannten beiden Arten vor sich zu haben. Indessen findet man, abgesehen von dem diese mesozoischen Zähne von den kainozoischen Zähnen von Sternberg trennenden Geologischen Zeitalter, auch im übrigen Unterschiede, die erheblich genug sind, um mich zu veranlassen, eine neue Art darauf zu gründen.

Bekanntlich trennt man das Genus Odontaspis von Lamna. Wenn gleich diese beiden Geschlechter der Squaliden abgerundete und längliche Zähne haben mit spitzen Tuberkeln oder Nebenzähnen, so hat doch letzteres Geschlecht flachere und geradere Zähne, während die der Odontaspis-Arten mehr gerundet und gedreht sind. — Schon eine oberflächliche Betrachtung der hier in Rede stehenden Zähne lässt keinen Zweifel darüber zu, dass wir hier Zähne von Odontaspis vor uns haben, für die ich den Namen O. Gustrowensis vorschlage. Diese Zähne sind stark einwärts gebogen, mit scharfen Rändern der ganzen Länge der Krone nach. Die Aussenseite ist mehr oder weniger gewölbt, während die Innenseite auffallend stark gewölbt ist. Beide Seiten sind vollkommen glatt, so dass auch die Innenseite keine Spur von Streifen zeigt. Der Kegel ist abgerundet und fast cylindrisch nahe der Grundfläche. Die Wurzel ist stark gespalten und an jeder Seite der Spitze bemerkt man eine sehr scharfe Nebenspitze, sowie neben dieser an einigen Exemplaren noch einen kleinen Kegel, einen nicht entwickelten Stachelknoten. —

Um die Unterschiede dieser Zähne von denen aller übrigen bekannten Odontaspis– und Lamna-Arten klar zu stellen, soll nachstehend eine vergleichende Uebersicht mit den folgenden Arten dieser Geschlechter gegeben werden:

Die Zähne von:                                                Die Zähne von Odontaspis Gustrowensis Winckler

(1.) Lamna elegans Agass.
Poiss. III; p. 289, t. 35 f. 1—7; t. 37a f. 58, 59.*)
sind gerade; die Dicke des Zahns ist beträchtlich in der Nähe der Wurzel. Die Innenseite hat zahlreiche vertikale Streifen, die Nebenspitzen sind sehr klein; die Hörner (untere Verlängerung der Wurzel) stehen dicht neben einander.
sind gekrümmt, verdicken sich nicht an der Grundfläche der Krone, die selbst am unteren Ende dünner ist. Man bemerkt keine Streifen an der Innenseite; die Nebenspitzen sind sehr entwickelt; die Hörner der Wurzel strecken sich breit aus.
(2.) Lamna cuspidata Agass.
Poiss. III p. 240; t. 37a f. 43—50
zeichnen sich besonders dadurch aus, dass die Wurzel aussergewöhnlich entwickelt ist; man findet öfter Exemplare, an denen die Hörner länger sind, als die Hauptspitze.
Die Wurzel von O. Gustrowensis, obgleich gross und stark gespalten, zeigt niemals Hörner, die die Länge der Schmelzspitze erreichen.
(3.) Lamna compressa Agass.
Poiss. III; p. 290, t. 37a. f. 35—42
ähneln im Allgemeinen denen des Genus Otodus; der Uebergang der Wurzel zur Krone findet stufenweise statt.
ähneln in keiner Weise denen des Genus Otodus, es findet kein stufenweiser Uebergang von der Wurzel zur Krone statt.
(4.) Lamna denticulata Agass.
Poiss. III; p. 291, t. 37a f. 51—53
haben Nebenspitzen , die keine cylinderförmige Dorne bilden, sondern die Form von mehr oder weniger regelmässig ausgezähnten Rändern zeigen.
Die Nebenspitzen bilden scharfe Dorne, die cylinderförmig und einfach sind, und zeigen nie die Gestalt ausgezähnter Ränder.
(5.) Lamna crassidens Agass.
Poiss. III; p. 292, t. 35. f. 8—21
sind kurz und dick.
sind lang und stark.
(6.) Odontaspis Hopei Agass.
Poiss. III; p. 293, t. 37a  f. 27—30
haben eine dicke Wurzel mit dicht nebeneinander stehenden Hörnern; die Nebenspitzen sind klein und zart und oft in rudimentärem Zustande.
haben eine dünne Wurzel, deren Hörner einen sehr stumpfen Winkel bilden. Die Nebenspitzen sind gross und gerade, und sehr entwickelt.
(7.) Odontaspis verticalis Agass.
Poiss. III; p. 294, t. 37a. f. 31, 32
sind nicht gedreht; dieselben sind sehr dick und beträchtlich angeschwollen.
sind gedreht, oder gebogen, sehr scharf und nicht dick.
(8.) Odontaspis acutissima Agass.
Poiss. III; p. 294, t. 37a. f. 33, 34
sind, wie der Name schon andeutet, sehr scharf; aber zu gleicher Zeit sehr dick an der Basis und die Innenseite stark gestreift.
sind, obschon scharf, doch nicht dick an der Basis, die Innenseite der Krone ist durchaus glatt.
(9.) Odontaspis contortidens Agass.
Poiss. III; p. 294, t. 37a. f. 17—32
haben eine spitz auslaufende einwärts gebogene Form. Die Innenseite ist der ganzen Länge nach bis zur Spitze gefaltet in der Weise, dass diese Falten wie kleine zahlreiche mehr oder weniger wellenförmige Adern vorzugsweise an der Basis des Email erscheinen.
haben zwar auch die in eine Spitze auslaufende einwärts gebogene Form, zeigen aber keine Spur von Falten an der Innenseite des Kegels
(10.) Odontaspis dubia Agass.
Poiss. III] p. 295 t. 37a. f. 24—26
haben ganz dasselbe Aussehen wie die Zähne von O. contortidens; jedoch fehlt die Streifung vollständig.
stehen den Zähnen von O. dubia sehr nahe; doch sind diese kürzer und dicker und breiter an der Basis der Krone.
(11.) Odontaspis gracilis Agass.
Poiss. III; p, 295 t. 37a f. 2—4
sind auf der Aussenseite glatt. — Die Exemplare dieser Art, die bei Brüssel gefunden werden, haben eine sehr starke Wurzel und Nebenspitzen, welche sich dann und wann, zwei an der Zahl, an jeder Seite des Hauptkegels zeigen.
sind auf der Aussenseite gewölbt sowie auf der inneren. Die Wurzel, ob schon sehr gespalten, ist nicht sehr stark.
(12.) Odontaspis subulata Agass.
Poiss. III; p. 296, t. 37a f. 5—7
sind den Zähnen von O. Gustrowensis sehr ähnlich, wie schon zu Anfang dieser Beschreibung angeführt wurde, während die letzteren aber bisher nur aus dem Oberoligocaen von Sternberg bekannt sind, kommen jene in der Kreide vor. Wenn übrigens Herr Giebel der Ansicht ist, diese Art mit O. gracilis Agass. vereinigen zu müssen, so ist dies nicht richtig; die Zahnwurzel der letzteren Art ist stärker und gröber als die von O. subulata (confr. Archives du Musée Teyler, Bd. IV., Tab. Fig. 13.)
(13.) Odontaspis raphiodon Agass.
Poiss. III; f. 296, t. 37a f. 11— 16
haben scharfe Ränder und zeigen eine mehr oder minder ausgeprägte Einklemmung des Kegels. In der Mitte der Aussenseite bemerkt man einen sehr auffallenden Mittelstreifen, die Innenseite ist mit sehr deutlichen Streifen geziert.
Die Zähne von O. Gustrowensis sind glatt und zeigen keine Einklemmung des Kegels. Sie haben auf der Aussenseite weder einen Mittelstreifen noch sonstige Streifen auf der Innenseite.
(14.) Odontaspis Bronni Agass.
Poiss. III; p. 297, t. 37a. f. 8—10
die in der oberen Kreide des Petersberges bei Maestricht vorkommen, sind gerade, ein wenig gefaltet und können nicht schlank genannt werden.
sind spitz, nicht gefaltet und sehr schmal, kommen ausserdem nur in Tertiärschichten vor.
(15.) Odontaspis duplex Agass.
Poiss. III; p. 297, t. 37a. f. 1
sind gerade, flach und die Nebenspitzen nicht scharf.
Die Zähne von O. Gustrowensis sind gebogen, cylinderförmig und die Nebenspitzen sehr scharf.

Ich glaube durch die vorstehende vergleichende Uebersicht den Nachweis zu liefern, dass O. Gustrowensis als eine neue Art betrachtet werden muss. Ausser den beiden abgebildeten typischen Exemplaren enthält die Sammlung N. noch eine Anzahl Zähne derselben Art, theilweise noch im Gestein einsitzend. Viele haben die Wurzel oder Nebenzähne verloren. Die Sammlung W. enthält 4 Stück dieser Art; in der Sammlung M. fand ich einen starken Zahn, den ich kaum der beschriebenen Art einzureihen wage wegen der dicken Form des Hauptkegels, der keine Nebenspitzen hat.

*) Die Citate aus dem Werke von Agassiz Poissons fossiles habe ich mir erlaubt zur Bequemlichkeit für das Studium hinzuzufügen, so dass etwa vorkommende Irrthümer nicht dem Herrn Dr. Winckler zuzuschreiben sind. F. E. Koch.