Ordnung: Lamniformes Berg, 1937 Makrelenhaiartige
Familie: Cetorhinidae Gill, 1861
Gattung: Keasius Welton, 2013
Typusart : Keasius taylori Welton, 2013
Taxonomische Bemerkung: Als Erstautor für die Familie Cetorhinidae wird oftmals Gill, 1862 angegeben. Tatsächlich wurde der Name aber bereits in Gill’s Arbeit von 1861 über die Fische der Ostküste von Nordamerika verwendet. Die zutreffende Autorenbezeichnung ist demnach Gill, 1861 (siehe auch van der Laan et al. 2014).
Morphologisch unterscheiden sich die Zähne der rezenten Gattung Cetorhinus von denen der Gattung Keasius deutlich. Während Cetorhinus-Zähne labial deutliche Schmelzfalten aufweisen (siehe nachfolgende Abbildung), sind Zähne der Gattung Keasius völlig glatt. Die fossil oftmals gefundenen Reusenzähne lassen sich dagegen in vielen Fällen nicht eindeutig bestimmen, da sie meist nur bruchstückhaft vorhanden sind.
Nachfolgend werden die wichtigsten zahnmorphologischen Unterschiede zwischen den beiden Gattungen Cetorhinus und Keasius dargestellt (aus Reinecke et al. 2017, Vortrag „Teeth and gill rakers of the Cainozoic basking sharks Keasius and Cetorhinus (Cetorhinidae, Lamniformes)“).
Gattungsmerkmale von Cetorhinus:
- Die Krone ist höher als breit, die Kronenflächen sind konvex gekrümmt.
- Die Zahnspitze ist aufgerichtet und niemals nach distal geneigt.
- Die labiale Kronenfläche ist mit unregelmäßigen Graten versehen und nur in Ausnahmefällen glatt.
- Die Kronenspitze ist nicht verdreht, die Schneidekanten sind lang und reichen manchmal bis zur Kronenbasis.
- Zwischen Wurzel und Krone befindet sich keine Furche bzw. ist nur schwach ausgebildet.
- Die Wurzel ist dick und etwas breiter als die Kronenbasis, Wurzelloben sind nicht vorhanden oder sehr kurz.
- Die linguale Wurzelprotuberanz ist schwach bis mäßig ausgebildet..
Gattungsmerkmale von Keasius:
- Die Krone in etwa so hoch wie breit oder niedriger als breit.
- Die Zahnspitze ist üblicherweise nach distal geneigt, selten aufgerichtet (außer bei Parasymphysenzähnen oder anterioren Unterkieferzähnen).
- Die labiale und linguale Kronenseite ist immer glatt.
- Die Kronenspitze ist häufig in sich verdreht, die Schneidekanten sind kurz.
- Zwischen Wurzel und Krone befindet sich immer eine Furche.
- Die Wurzel ist dick, meistens viel breiter als die Kronenbasis, Wurzelloben sind üblicherweise vorhanden und deutlich voneinander getrennt.
- Die linguale Wurzelprotuberanz ist mäßig bis stark ausgebildet.
†Keasius parvus (Leriche, 1908)
Lectotypus: Koninklijk Belgisch Instituut voor Natuurwetenschappen in Brüssel (KBIN) P.903 (ein Kiemenreusendorn)
Paralectotypen: Koninklijk Belgisch Instituut voor Natuurwetenschappen in Brüssel (KBIN) KBIN-P.904, KBIN-P.1412 und KBIN-P.902 (drei Kiemenreusendornen, Leriche, 1910, Text-fig. 93, siehe unten)
Typlokalität und Stratum typicum: Basel (Steendorp), Boom, nördliches Belgien, Boom Clay Formation, Rupelium, Oligozän
Synonyme: Cetorhinus parvus, Praecetorhinus parvus, Selache parvus
Text der Erstbeschreibung (nur Reusendornen): Leriche, 1910
Anmerkung: In Leriche (1908) wurde nur der Name der neuen Art veröffentlicht, die Beschreibung der neuen Art erschien im Jahre 1910 (Les poissons tertiaires de la Belgique. III. Les poissons oligocènes.)
Größe der Zähne: h: bis 2,5 mm, b: bis 3,9 mm (Reinecke et al. 2015)
Beschreibung:
Die Zähne der miozänen Arten Keasius spp. unterscheiden sich deutlich vom einzigen heute noch lebenden rezenten Vertreter der Familie, Cetorhinus maximus (siehe Abbildung oben). Etwa die Hälfte der Gesamthöhe entfällt auf die massige, kegelförmige Zahnkrone. Sie ist an ihrer Basis breit, unterschiedlich stark nach distal geneigt und verjüngt sich rasch zur abgerundeten Zahnspitze hin. Nur dort sind kurze und stumpfe Schneidkanten ausgebildet, welche von der mesio-distalen Ausrichtung der Kronenfläche bzw. Wurzelloben leicht nach innen und außen verdreht abweichen. Der Zahnschmelz ist sowohl lingual als auch labial absolut glatt. In einzelnen Fällen kann mesial an der Kronenbasis eine kleine Nebenspitze ausgebildet sein, distal jedoch niemals (Reinecke et al. 2015).
Teilweise sind die Wurzeläste nur andeutungsweise ausgebildet; der untere Wurzelrand verläuft daher gerade oder ist nur leicht nach oben gewölbt. Auf der Innenseite ist die kräftige Wurzel stark wulstig herausgewölbt und zeigt manchmal die kleine Öffnung eines zentralen Foramens, eine Basalfurche ist nicht vorhanden.
Keasius parvus wurde anfänglich fossil nur durch die „Reusenzähne“ (Kiemenreusendornen = Gill raker) nachgewiesen. Sie werden bei der rezenten Art Cetorhinus maximus jährlich abgestoßen und durch neue ersetzt. Daher sind sie auch im Fossilmaterial nicht ganz selten. In stark kompaktierten und verformten Sedimenten sind sie wegen ihrer mechanischen Empfindlichkeit meistens zerbrochen und daher nur unvollständig aufzufinden.
Die seitlich abgeflachte Befestigungsplatte ist beilförmig geschwungen und leicht strukturiert. Nahe am äußeren Rand sind zahlreiche Foramina zu erkennen. Der seitliche Fortsatz (=Filament) ist im Querschnitt flach oval, schlank und mit einem schmelzartigen Überzug versehen.
Weitere miozäne Arten:
Reinecke et al. (2015) beschrieben aus dem Nordseebecken die Arten Keasius septemtrionalis und Keasius rhenanus. Die bisher bekannte zeitliche Verbreitung der drei Arten ist nachfolgend dargestellt.
In der Molasse wurden bisher nur vereinzelt Oralzähne gefunden und dokumentiert. In den meisten Fällen handelt es sich bei den in der Literatur dokumentierten Funden um Reusendornen, die in der Vergangenheit grundsätzlich der Art „parvus“ zugeordnet wurden. Reinecke et al. (2015) halten jedoch eine Zuordnung der in Bracher & Unger (2007) abgebildeten Zähne (siehe nachfolgende Abbildungen) zu Keasius parvus für zweifelhaft und folgern aufgrund der morphologischen Merkmale der Zähne, dass es sich möglicherweise um Zähne von Keasius septemtrionalis handelt. Eine eindeutige Klärung, welche Arten von Keasius in der Molasse beheimatet waren, wird erst möglich sein, wenn genügend Material (Zähne) zur Verfügung steht.
In der nachfolgenden Aufstellung über die Verbreitung innherhalb der Molasse wird deshalb auf eine Unterscheidung auf Artniveau verzichtet und lediglich angegeben, ob es sich bei den Funden um Zähne oder Reusendornen handelt.
Verbreitung (geografisch/stratigraphisch) in der Molasse:
Deutschland:
Rupelium:
- Thalberggraben, Siegsdorf, Bayern (Reinecke et al. 2014) „Reusendorn“
- Walbertsweiler, Baden-Württemberg (Barthelt et al. 1991, Sammlung Unger) „Reusendorn“ und Zähne
- Ballendorf, Baden-Württemberg (Sammlung Bracher) „Reusendorn“
- Mitterdorf, Fürstenzell, Bayern (Pollerspöck et al. 2017) „Reusendorn“ und Zähne
Österreich:
- Traunpucking, Oberösterreich (Schultz 2013) „Reusendorn“
- Ebelsberg, Oberösterreich (Schultz 2013) „Reusendorn“
- Weikerlsee, Oberösterreich (Schultz 2013) „Reusendorn“
- Kletzenmarkt, Oberösterreich (Schultz 1971; Schultz 2013) „Reusendorn“
- Wallern an der Trattnach, Oberösterreich (Pfeil 1983) „Reusendorn“
- Graben, Oberösterreich (Pollerspöck et al. 2018) „Reusendorn“ und Zähne
Schweiz:
Rupelium:
- Brislach (Leriche 1927) „Reusendorn“
- Delémont (Picot et al. 2008) „Reusendorn“ und Zähne (zweiflhaft)
- Bollwies (Bolliger et al. 1995) Zahn
Frankreich:
Rupelium:
- Ensisheim (Leriche 1927) „Reusendorn“
Vorkommen außerhalb der Molasse:
Österreich:
Wiener Becken:
Badenium (=Langhium bzw. unterstes Serravallium):
- Steinebrunn, Niederösterreich (Schultz 1971; Schultz 2013) „Reusendorn“
Tschechische Republik:
Badenium (=Langhium bzw. unterstes Serravallium):
- Kienberg/Mikulov (Schultz et al. 2010) „Reusendorn“
Frankreich:
Langhium:
- Mazan, acht Kilometer östlich von Carpentras, Frankreich (Vialle et al. 2011) „Reusendorn“
- Luberon, Cabrières-d’Aigues (Vaucluse) (Brisswalter 2009) „Reusendorn“ und Zähne
Sonstige Vorkommen:
Weltweit verbreitet Reinecke et al. (2015), Welton, 2013, Cione & Reguero, 1998
Literaturliste für Keasius parvus (in Zusammenarbeit mit www.shark-references.com):