Ordnung: Carcharhiniformes Compagno, 1973 Grundhaiartige
Familie: Carcharhinidae Jordan & Evermann, 1896
Gattung: Carcharhinus De Blainville, 1816
Typusart: Carcharias melanopterus Quoy & Gaimard 1824
†Carcharhinus priscus (Agassiz, 1843)
Typlokalität und Stratum typicum:
Louis Agassiz erwähnte in Band 3 (Seiten 234-235) Zähne von Sphyrna prisca (Tafel 26a Abb. 35-50), welche aus Ablagerungen der Insel Malta (Miozän) stammen (Abb. 35-38) und weitere aus unbekannter Herkunft (Abb. 39-50).
Münster erwähnte 1842 eine neue Art namens Zygaena serrata aus Neudörfl (Wiener Becken), ohne eine Abbildung oder Beschreibung dieser neuen Art anzufügen. Dieser erstmals veröffentlichte Name erfüllte damit nicht die Anforderungen des Artikel 12 der ICZN und gilt deshalb als nomen nudum. Kurz darauf beschrieb Münster (1846) erneut Zähne aus dem Wiener Becken, welche jenen von Agassiz ähnelten, jedoch stellte er diese Zähne zu der Art Sphyrna serrata (Tafel 2, Abb. 18). In dieser Publikation wurden alle Regeln erfüllt, somit erlangte dieser neue Name Gültigkeit. Dieses Beispiel veranschaulicht, wie es bei der relativ häufigen Art C. priscus über die Zeit zu einer vergleichsweise langen Synonymliste kam. Cappetta (1970, Seiten 54-57) diskutierte erstmals die Fülle an Synonymen, seither wird C. priscus mehrheitlich für diese Zahnmorphologie angenommen.
Synonyme: Aprion stellatus (Probst, 1878), Carcharhinus plumbeus priscus (Agassiz, 1843), Carcharhinus (Hypoprion) lusitanicus Jones, 1966, Carcharias miqueli Joleaud, 1912, Carcharias pervinquierei Joleaus, 1912, Carcharias priscus (Agassiz, 1843), Carcharias (Aprion) brevis Probst, 1878, Carcharias (Aprion) stellatus Probst, 1878 , Carcharias (Aprionodon) stellatus Probst, 1878, Cestracion priscus (Agassiz, 1843), Cestracion (Sphyrna) priscus (Agassiz, 1843), Scyllium priscum Agassiz, 1843, Sphyrna prisca Agassiz, 1843
Text der Erstbeschreibung: Agassiz, 1843 Band 3, Seite 234-235
Größe: h – 11,6 mm
Beschreibung:
Zwischen Zähnen des Ober- und Unterkiefers ist eine deutliche dignathe Heterodontie ausgebildet.
Vordere anterolaterale Oberkieferzähne sind beinahe symmetrisch ausgebildet. Sie besitzen eine hohe, gleichmäßig geformte, dreieckige und gerade ausgerichtete Krone, welche auf der Labialseite flach und der Lingualseite gewölbt ist. Die fein gekerbte Schneidekante setzt sich auf den beidseitigen gleich langen, abgeschrägten Wurzelästen mit gröberer Zähnelung fort (Talon).
Seitliche anterolaterale Oberkieferzähne sind jenen der anterioren Position sehr ähnlich, jedoch ist die Hauptspitze deutlich nach distal geneigt und der Übergang der Schneidekante zum Talon in distaler Richtung durch eine deutliche Einkerbung separiert. Die Lingualseite der Wurzel ist dreieckig geformt, wohingegen die Labialseite rechteckig ausgebildet ist. Die Enden der Wurzeläste sind stets gerundet. Die Lingualseite der Wurzel besitzt zudem eine deutliche Wurzelprotuberanz mit einem zentralen Nährkanal, dessen Furche sich bis zur Wurzelbasis fortsetzt und ebenso von labialer Seite als Kanal wahrgenommen werden kann.
Zähne des Unterkiefers sind sich untereinander sehr ähnlich und unterscheiden sich von Zähnen des Oberkiefers durch das häufige Fehlen der Zähnelung der Schneidekante und des Talons. Die Hauptspitze ist relativ gerade, wodurch anteriore und laterale Unterkieferzähne einen sehr symmetrischen Zahntyp aufweisen. Je weiter lateral sich die Zahnposition befindet, desto weiter ist die Wurzel in mesialer- und distaler Richtung ausgezogen. Lediglich posteriore Zähne zeigen eine deutliche distale Neigung der Hauptspitze.
Bemerkung zur Art:
Während Zähne von C. priscus im frühen bis mittleren Miozän des Nordseebeckens sehr stabile Gestaltsmerkmale aufwiesen, gab es im gleichen Zeitraum unterschiedliche Ausprägungen der Zähnelung der Schneidekante an Zähnen aus dem Bereich der Mediterranen Tethys in Frankreich und Zentralen Paratethys in Polen und Österreich. Unterkieferzähne dieses Types entwickelten auch Zähnelungen der Schneidekanten, wodurch sich Zähne dieser Population deutlich von jener des Nordseebeckens unterschied. Zähne mit ähnlicher Ausprägung (Zähnelung der Schneidekante von Unterkieferzähnen) wurden von Purdy et al. (2001) mit Zähnen der rezenten Art C. brachyurus synonymisiert. Aufgrund selektiver Auswahl der abgebildeten Zähne in Purdy et al. (2001) argumentierten Reinecke et al. (2011) gegen diese Synonymisierung, da es in Anbetracht einer ganzen Zahnserie deutliche Unterschiede zwischen C. priscus und C. brachyurus gibt.
Aufgrund einer individuellen Variationsbreite der Zähnelung von C. priscus, folgen wir der Auffassung von Reinecke et al. (2011) und Kent (2018) und ordnen solche Zähne ebenfalls C. priscus zu.
Bemerkungen zur Unterscheidung: C. gibbesii (Woodward, 1889) zeigt signifikante morphologische Ähnlichkeiten zu Zähnen von C. priscus (Agassiz, 1843). Oberkieferzähne von C. priscus haben jedoch weniger robuste und kleinere Zahnkronen als Oberkieferzähne von C. gibbesii. Dies verdeutlichen direkte Vergleiche anhand von Messungen durch Reinecke et al. 2011, woraus sich eine maximale Zahnhöhe von 11,6 mm für Oberkieferzähne von C. priscus und 13,00 mm für C. gibbesii (Reinecke et al. 2014) ergibt. Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Arten ist die leichte Zähnelung der Schneidekante der Hauptspitze (Reinecke et al. 2011, Pls 71-73) , die bei C. gibbesii nicht ausgebildet ist .
Carcharhinus priscus, antero-lateraler Oberkieferzahn, Labial- und Lingualansicht, Breite 20 mm, Plesching bei Linz, Ottnangium, Sammlung Naturhistorisches Museum Wien (NHMW1967/698/1) Original aus Schultz 1969 Tafel 4, Fig 75
Carcharhinus priscus, lateraler Oberkieferzahn, Labial- und Lingualansicht, Breite 13 mm, Höch nahe Passau, Ottnangium, Sammlung Naturhistorisches Museum Wien (NHMW1990/1487/0177)
Carcharhinus priscus, lateraler Oberkieferzahn, Labial-, und Lingualansicht, Breite 11 mm, Höch nähe Passau, Bayern, Ottnangium, Sammlung Naturhistorisches Museum Wien (NHMW1990/1487/0179)
Carcharhinus priscus, lateraler Oberkieferzahn, Labial- und Lingualansicht, Breite 12 mm, Rainbach nähe Schärding, Ottnangium, Sammlung Naturhistorisches Museum Wien (NHMW2005/0283/0060a)
Carcharhinus priscus, lateraler Oberkieferzahn, Labial- und Lingualansicht, Breite 13 mm, Rainbach nähe Schärding, Ottnangium, Sammlung Naturhistorisches Museum Wien (NHMW2005/0283/0060b)
Carcharhinus priscus, lateraler Oberkieferzahn, Labial- und Lingualansicht, Breite 12 mm, Rainbach nähe Schärding, Ottnangium, Sammlung Naturhistorisches Museum Wien (NHMW2005/0283/0060c)
Carcharhinus priscus, lateraler Unterkieferzahn, Labial- und Lingualansicht, Breite 10,5 mm, Rainbach nähe Schärding, Ottnangium, Sammlung Naturhistorisches Museum Wien (NHMW2005/0283/0060d)
Carcharhinus priscus, lateraler Oberkieferzahn, Labial- und Lingualansicht, Breite 15 mm, Maigen, Niederösterreich, Eggenburgium, Sammlung Naturhistorisches Museum Wien
Carcharhinus priscus, antero-lateraler Oberkieferzahn, Labial- und Lingualansicht, Breite 12 mm, Maigen, Niederösterreich, Eggenburgium, Sammlung Naturhistorisches Museum Wien
Carcharhinus priscus, antero-lateraler Unterkieferzahn, Labial- und Lingualansicht, Breite 10 mm, Maigen, Niederösterreich, Eggenburgium, Sammlung Naturhistorisches Museum Wien
Carcharhinus priscus, antero-lateraler Unterkieferzahn, Labial- und Lingualansicht, Breite 12 mm, Maigen, Niederösterreich, Eggenburgium, Sammlung Naturhistorisches Museum Wien
Verbreitung (geografisch/stratigraphisch) in der Molasse:
Deutschland
- Walbertsweiler, Baden-Württemberg (Barthelt et al. 1991, Sach 2016, Sammlung Unger, Bracher)
- Rengetsweiler, Baden-Württemberg (Sammlung Unger)
- Baltringen, Baden-Württemberg (Probst 1978, Sach 2016)
- Ballendorf, Baden-Württemberg (Bracher 2000)
- Ermingen (Hochsträß), Baden-Württemberg (Baier et al. 2004)
- Baltenstein, Allgäu, Bayern (Scholz & Bienerth, 1992)
- Heigelsberger Graben, Bayern (Pollerspöck & Beaury 2014)
- Höch, SW Passau, Bayern (Schultz 2013)
- Kälberbach, SW Passau, Bayern (Schultz 2013)
- Holzbach, SW Passau, Bayern (Schultz 2013)
Österreich
- Weikerlsee, nahe Linz, Oberösterreich (Schultz 2013)
- Eggenburg, Burgschleinitz, Kühnring und Umgebung, Niederösterreich (Schultz in Brzobohaty & Schultz 1973; Schultz in Steininger et al. 1971; Steininger & Golebiowski 1991; De Alessandri & Schaffer 1925; Schultz 2013)
- Rieden (Eggenburgium/Ottnangium), Vorarlberg (Schultz 2013)
- Kletzenmarkt bei Bad Schallerbach, Oberösterreich (Schultz 2013)
- Ottnang, Oberösterreich (Schultz 2013)
- Allerding bei Schärding, Oberösterreich (Schultz 2013; Reiter 1989)
- Rainbach bei Schärding, Oberösterreich (Brzobohaty & Schultz 1973; Schultz 2013; Danninger 1999)
- Höbmannsbach, Oberösterreich (Schultz 2013)
- Mitterndorf, Oberösterreich (Danninger 1999)
- Grieskirchen, Oberösterreich (Schultz 2013)
- Kematen am Innbach, Oberösterreich (Schultz 2013)
- Wallern an der Trattnach, Oberösterreich (Schultz 2013)
- Weinzierlbruck und Prambachkirchen, Oberösterreich (Schultz 2013)
- Plesching, Oberösterreich (Schultz 2013; Schultz 1969; Brzobohaty & Schultz 1973)
- Korneuburger Becken, Niederösterreich (Schultz 2013)
- Karnabrunn, Niederösterreich (Schultz 2004; Schultz 1998)
- Niederkreuzstetten, Niederösterreich (Schultz 1998; Schultz 2004; Schultz 2013)
- Grund und Umgebung, Niederösterreich (Schultz 2003; Schultz 2013; Daxner-Höck et al. 2004)
Schweiz: (in Vorbereitung)
Vorkommen außerhalb der Molasse (beispielhafte Aufzählung):
- Wiener Becken, Badenium, Miozän (Münster 1842, 1846; Schultz 1971)
- Steirisches Becken, Badenium, Miozän (Hiden 1995; Brzobohaty & Schultz 1978)
- Slowakei, Tschechien, Polen, Belgien, Deutschland, Norditalien, Insel Malta, Südfrankreich (für eine Auflistung der Fundpunkte siehe Schultz 2013)
Literaturliste (in Zusammenarbeit mit www.shark-references.com):